Wolfgang Sturmberger postete im Herbst 2023 auf Facebook ein historisches, koloriertes Bild der „Wohnungsfürsorge-Häuser“ in der Spitalskystraße in Steyr.
Darauf beginnt unter seinem Beitrag eine Diskussion darüber, ob diese schön seien und noch dort stünden, und einer meinte, es sei „staatlicher sozialer Wohnbau der Zwischenkriegszeit während der Dollfuß-Ära“. Ich versuchte, dem nachzugehen – eine Nachschau vor Ort (einfach hingehen und lesen) und die Beiträge zur Geschichte der Stadt Steyr und ihrer Umgebung – Digitalarchiv Steyr (dahoam.net) waren – wie so oft – hilfreich: Also, das mit dem Austrofaschisten Dollfuß, der an der Stelle sozialen Wohnbau betrieben haben soll, ist einfach falsch.
Die Häuser wurden – nach einer Tafel am Haus Spitalskystraße 8 – in den Jahren 1913/14 „unter dem Gründer und 1. Obmann Herrn Direktor J. Rotter“ errichtet.
Der Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915 weist im Verzeichnis der in der Stadt Steyr bestehenden Vereine und Korporationen die „I. allgemeine gemeinnützige Bau- und Wohnungsgenossenschaft ‚Wohnungsfürsorge‘ in Steyr“ mit dem Gründungsjahr 1912 und ihrem Obmann Rotter Johann (Oberlehrer in P.) aus.[i]
Ebendort wird die „Wohnungsfürsorge“ auch als Hausbesitzerin der Objekte Spitalskystraße 6, 8 und 10 gelistet.[ii]
Diese Genossenschaft entstand aus dem „Verein der Beamten, Lehrer und Pensionisten in Steyr“, in dem Oberlehrer Rotter „Vorstandsstellvertreter“ war und sich für „Schulangelegenheiten und Wohnungsfürsorge“ engagierte[iii]. Gegründet wurde die „Wohnungsfürsorge“ am 10. Oktober 1912 im Gasthof Kagerer („Goldenes Kreuz“; heute: Pfarrgasse 4). Neben Rotter waren unter anderem der Möbelhändler Anton Lang, der Gemeinderat Kirchberger und der Bankdirektor Olbrich Vorstände. Als Aufsichtsrat fungierte der Steyrer Bürgermeister. Johann Rotter selbst war ein in Steyr umtriebiger Lehrer – ab 1907 Gemeinderat, bis zu seiner Pensionierung Leiter der Knabenvolksschule am Franz Josefs Platz sowie Obmann des „Deutsch-österreichischen Lehrervereins für Naturkunde“.[iv]
Weitere Häuser wurden von dieser Genossenschaft bis 1938 nicht errichtet. Aber im Februar 1937 beschloss der Gemeinderat der Stadt Steyr, der Genossenschaft „Wohnungsfürsorge“ das gemeindeeigene Grundstück entlang der Grillparzerstraße (den sogenannten „kleinen Sportplatz“) zu übertragen, um dort ein „Großwohnhaus“ zu errichten,[v] welches anscheinend nie realisiert wurde.[vi] Die Wohnungen in der Spitalskystraße gingen nach dem Zweiten Weltkrieg an die erste GWG in Steyr.
Nachtrag:
Auch hinter den Häusern der „Wohnungsfürsorge“ findet sich eine interessante Wohnanlage an der Ecke Gutenberggasse/Grillparzerstraße. Der Wohnhof hieß noch in den 1970er Jahren im Volksmund „Patriahäuser“ – wohl, weil er von der Firma Patria im Auftrag einer (anderen) Wohnungsgenossenschaft 1926/27 errichtet wurde.[vii]
Quellen:
[i] Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915, S. XX.
[ii] Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915, S. XLV.
[iii] Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1912, S. 135.
[iv] Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1914, S. 136; http://steyr.dahoam.net/wp-rp/rp/1908/1908_04_05/index.html; http://steyr.dahoam.net/wp-stguuk/1913/58/index.html
[v] Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1938, S. 413.
[vi] Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1950, S. 321.
[vii] Stein Erwin. Die Städte Deutschösterreichs. Bd. II: Steyr und Bad Hall. 1928, S.183ff.