In der Raimundstraße eröffnete das BFI 2020 nach Generalsanierung mit dem Architekturbüro Hertl ein neues Schulungsgebäude.
Für mich war das und die Ausstellung über die Architekten Kühne und Schulte im Linzer Nordico Anstoß, Historisches zu diesem Ort zusammenzutragen, Bilder oder Dokumente zu sammeln und Interessierten zur Verfügung zu stellen (hier alles Work in Progress).
Das BFI erwarb 1969 den Standort Raimundstraße/Grillparzerstraße. Zuerst war dort die „Geschütze Werkstätte“, ab 1971 wurde das Berufliche Bildung- und Rehabilitationszentrum errichtet und 1985 das BFI Schulungsgebäude eröffnet.
Von 1906 bis 1968 fertigte an diesem Standort die Firma Rosenbauer Feuer- und Motorspritzen. Die „Rosenbauer-Fabrik“ wurde entlang der Raimundstraße in verschiedenen Bauetappen errichtet.
Einen markanten Erweiterungsbau (eine würfelartige Werkstatt samt angeschlossenem Schlauchturm, der älteren MitarbeiterInnen der BBRZ Gruppe noch in Erinnerung ist) plante der Linzer Architekt Julius Schulte 1928.
Leider wurde dieser Bau in den 1980er Jahren abgerissen.
Dort wo sich auf diesem aktuellen Foto das Flugdach befindet, stand der Schlauchturm der Rosenbauerfabrik.
Planzeichnungen des Rosenbauer-Gebäudes findet sich hier. Danke an das Archiv der Stadt Linz.
Julius Schulte (1881 – 1928) war gemeinsam mit Curt Kühne (1882 – 1963) einer der bedeutenden Architekten der Zwischenkriegszeit in Linz. Für Kühne als Stadtbaudirektor und Schulte als Mitarbeiter ging es um die Schaffung einer sozial orientierten Stadt. Die von ihnen geschaffenen öffentlichen Bauten, Schulen und Industriebauten weisen eine hohe, individuelle gestalterische Qualität auf und haben bis heute architektonische Relevanz für Linz. Auch in der Linzer Raimundstraße, wurde von Schulte die heute noch als Hort genutzte Raimundschule geplant. Hier kann ein Werkverzeichnis Schultes durchgeblättert werden.
Am Standort des BFI befand sich nicht nur die Firma Rosenbauer. An der Raimundstraße Ecke Wienerstraße eröffnete um die Wende zum 20. Jahrhundert Johann Grubhofer ein Kaffeehaus (zuvor ab 1894 an der damaligen Adresse Wiener Reichsstraße 33 – heute Unionkreuzung).
Ab 1923 betrieben dort Heinrich Hekler und Emil Chaim Zimmermann ein Kaufhaus. Dieses wurde als jüdisches Unternehmen im März 1938 arisiert und im September 1939 liquidiert. Die beiden Besitzer wurden zuvor eines Steuervergehens bezichtigt und deswegen verurteilt. Die Nationalsozialisten ermordeten Heinrich Hekler und Dorothea Zimmermann.
Nach 1945 wurde das Kaufhaus von Familienmitgliedern mit Kompagnons als Kaufhaus der Linzer wieder gegründet. Aus diesem Kaufhaus überraschte mein Vater seine Frau mit diesem wunderbar geblümten, ärmellosen Kleid (siehe unten).
1985 errichteten Raiffeisenbank OÖ und BFI ein Bank- und Schulungsgebäude, das 2020 im neu sanierten Bildungshaus aufging – der neue BFI Eingang an der Wienerstraße entstand.
Hier kann die ausführlichere Geschichte „Vom arisierten Warenhaus zum Berufsförderungsinstitut“ nachgelesen werden.
Mehr Bilder und Eindrücke finden sich hier.
Aber blicken wir noch länger zurück und fragen, wie sich der Stadtteil entwickelte.
Im Jahr 1817 hat Kaiser Franz I. von Österreich das denkwürdige Grundsteuerpatent erlassen, das die Grundlage für den nach ihm benannten Franziszeischen Kataster bildete. Dazu wurden 1824 alle Grundstücke im Land ob der Enns exakt erfasst und in einer Urmappe dargestellt.
Darauf sieht man: Wo heute BFI und BBRZ stehen (blauer Punkt) war um 1825 Ackerland, mit drei Bauerhöfen im Umfeld: Ri(r)pelbauer (von der heutigen Unionkreuzung ein Stück stadteinwärts, auf der linken Seite der Wienerstraße), Bauer im Holz (beim Haupteingang zum heutigen Barbara-Friedhof) und Löf(f)lerhof (siehe unten). Die ersten Häuser der Linzer Vorstadt waren rund einen Kilometer entfernt.
Dieser heutige Linzer Stadtteil „Lustenau (und das benachbarte Waldegg) hatten sich lange gegen die Eingemeindung gewehrt und hätten lieber zu zweit eine Gemeinde gebildet, als zu Linz zu kommen. Siedlungskern von Lustenau waren einige Häusergruppen entlang der Wiener Reichsstraße zwischen der heutigen Unionkreuzung und dem (bis 1897 bestehenden) großen Gutshof an der Stelle der heutigen Herz-Jesu-Kirche: dem bis ins 12. Jahrhundert zurückreichenden „Löfflerhof“ (früher: Schreyerhof, dann Preschlgut), der in seinen Anfängen unter der Oberhoheit der Schaunberger (Stammburg im heutigen Julbach) stand. Diese standen in scharfem Gegensatz zu den Habsburgern und damit auch zur Stadt Linz, strebten sie doch eine eigene Territorialobrigkeit und sogar die Ausgliederung aus dem österreichischen Landesverband an. Dieser Gegensatz führte schließlich zur bewaffneten Auseinandersetzung (Schaunberger Fehde, 1380/81 bis 1385/86), unter anderem auf dem zu Schaunberg gehörenden Hof im Süden der Stadt. Dieser lag auf einem für die Stadt neuralgischen Punkt, dort wo die Haupt-Ausfallstraße nach Süden („Eybelsperger straß“) auf einer schmalen Holzbrücke das Bett eines mitunter sehr hoch gehenden Baches (Grundbach oder Füchselbach, später verlegt und schließlich gänzlich unterirdisch verrohrt) überquerte.“ Quelle: Mörth, Ingo; unter Mitarbeit von Mörth, Christiane, & Schmolmüller, Andrea: Linzer Kultur Regionen. Entwurf einer Broschüre, Linz 1994: Institut für Soziologie (123 Blatt); online verfügbar.
1857: Hier sieht man auf der Karte des Erzherzogthums Oesterreich ob der Enns von Alois Souvent, dass entlang der Wienerstraße bereits Häuser gebaut und die Eisenbahn in Betrieb war. Dazwischen – dort, wo (blauer Punkt) heute BFI und BBRZ sind – waren noch Äcker.
1865 war der oben erwähnte Löf(f)lerhof ein großer Einkehrgasthof mit bedeutendem Grundbesitz, auf dessen Gründen ein Großteil des heutigen Stadtteiles steht. Er wurde im Jahr 1897 abgebrochen. An seiner Stelle wurde die Herz-Jesu-Kirche erbaut. Quelle: 60 Jahre Tages-Post. (1925). Linz: J. Wimmer.
Zwischen 1880 und 1910 wurde die Raimundstraße zuerst geschaffen und dann Schritt für Schritt bebaut. Siehe dazu: Eine Vorstadtstraße entsteht – die Linzer Raimundstraße um 1900.
1920 zeigen die Landkarten dann schon einen Stadtteil, so wie wir ihn heute kennen (zuerst der Linzer Stadtplan des Reisebuchverlags Grieben von 1920). Übrigens, der heutige Bulgariplatz hieß Polygon Platz.
Weitegehend unverändert der Straßenplan der Landeshauptstadt zwölf Jahre später: 1932.
Schließlich noch eine sehr persönliche Ergänzung: Gegenüber von BFI und BBRZ befand sich jahrelang das Gasthaus zum Schwarzen Rössl, Raimundstraße 18. Dieses Lokal war zuvor in der Zwischenkriegszeit an der Adresse Blumauerstraße 6 (heute etwa stadtauswärts hinter dem Musiktheater). Einer der Pächter für ein Jahr (1932/33) war mein Großvater Leopold Jungwirth. Dazu ein Auszug aus: Amtliches Linzer Adreßbuch 1932. Druckerei Gutenberg, 1932, S. 82.
Danke für Tipps, Hinweise und Material an: Gerhard Hagn, Walter Binder, Markus Stadler, Bernhard Rammler-Köstler, Andrea Bina, Lisa Schmidt, Ingrid Gruber, Romana Jungwirth, Johannes Gstöttenmayer, Walter Schuster
Gerald Reiter :
Großartig!
Beate Löffler :
Wunderbare Erinnerungen an wunderbare Menschen die diesen Bau und diesen Fortschritt im geschützten Bereich und der Beruflichen Reha in dieser bewegten Zeit gewagt haben!
Christoph Jungwirth :
Liebe Beate, hat dein Name irgend etwas mit dem Löf(f)lerhof (dort wo heute die Herz Jesu Kirche steht) zu tun, oder ist es Zufall. Christoph
Wolfgang Hellmair :
Echt Toll gemacht 🙂
Azita Deuschl :
Ein interessanter Bericht voller Eindrücke…danke für die Mühe und das Dokumentieren.
Josef Bruckmüller :
Großartig!
Sehr interessant, Stadtteile meiner Geburtsstadt so intensiv kennenzulernen.
Ich kann mich an die Fassaden dieser Stadtteile erinnern, wenn wir als Kinder in dieser Gegend spazieren gingen. Auch erinnere ich mich an einen Zirkus zur Weihnachtszeit am Bulgariplatz, am jetzigen Standort des BFI und AMS. Das muss so um 1963 gewesen sein. Werde meine Mutter dahingehend noch interviewen und nach Bildmaterial stöbern.
Alles Gute und liebe Grüße
Josef
Wolfgang GRUBER :
Super Darstellung der Entwicklungsgeschichte des Raumes rund um BFI OÖ und BBRZ !!!
Dass dein Großvater Gastronom war, spricht für sich/dich. DANKE für deine Mühen.
LG Wolfgang Gruber
Rita :
Großartig, wenn man die Geschichte betrachtet. Ich kenn die Entwicklung seit 1975, da hab ich das erste Mal Ferialpraxis in der GW gemacht! Da war noch die Tankstelle.
Danke für das Recherchieren.
Wilhelm Stubinger :
Eine gelungene Chronik, sehr interessant
Patricia Berger :
Schön in Erinnerungen zu schwelgen und schön in geballter Ladung zu sehen, welch großartige Entwicklung im bfi / in der gesamten Gruppe möglich war und ist.
Heike Auinger :
Beeindruckende Geschichte und sehr schön aufbereitet. Danke dafür lieber Christoph.
Johannes Gstöttenmayer :
Super
Habe viel davon gewusst aber auch sehr viel dazugelernt!
Gratulation
Trixi Soder :
Geschichte, zu der wir persönlichen Bezug haben, ist viel interessanter, als die in der Schule gelehrte…..
Danke, Christoph!
Othmar Friedl :
Im schwarzen Rössl wurde ab 1975 nach Dienstschluss praktisch täglich mit den BFI Direktoren Weinhofer und Hinterberger die BBRZ Strategie „entwickelt“. Das Ambiente und Interieur stammte sicher noch aus der Zeit deines Großvaters. Ein mehrfach historischer Ort