Als Sommerfrischlerin oder Sommerfrischler ist es am Grundlsee ein Leichtes, über die adeligen Gäste, FabrikantInnenen und KünstlerInnen, die hier weilten, zu erfahren. So führt der Rundweg Via Artis zu den Sommerhäusern der Intellektuellen und nicht nur vom Schiff aus sind die Villen früherer Waffenfabrikanten (Schloss Grundlsee oder Villa Roth) oder Spekulanten (Villa Castelogni) unübersehbar.
Genauer fragen und schauen muss man nach Erinnerungen an jene, die die Häuser bauten, putzten, hier kochten oder im Wald und auf den Almen für die Lebensgrundlagen sorgten. Es gibt auch diese Erinnerungen entlang der Spazierwege, aber viel bescheidener und leiser – und eigentlich nur als Gedenken an Arbeitsunfälle, von denen es hier viele gegeben haben wird.
Interessant, dass diese Leben nur als Todesfälle öffentlich erinnert werden. Aber ebenso ein Hinweis, wie gefährlich und hart, gar nicht romantisch, die Arbeit nicht nur hier war.
Ein Spaziergang und drei Zeitreisen in die letzten drei Jahrhunderte zu den „kleinen Leuten“ am Grundlsee gefällig?
Wir fahren mit dem Schiff von Grundlsee nach Gößl.
Dort, wo es zum Toplitzsee geht, erinnert am Weg von der Ranftlmühle zur Gößler Wiese ein Marterl an den Lawinenabgang im Fasching 1738 – 20 Holzknechte wurden bei der Waldarbeit verschüttet, nur einer überlebte. Im Totenbuch der Pfarre finden sich die Namen der Verunglückten dieser Katastrophe.
Im April 1853 versuchten Forstarbeiter, eine Holzriese zu reparieren. Dabei kam ein „Bloch unversehens daher und traf den Rottmeister Ferdinand Mayerl so schwer, dass er sein Leben im 43. Jahr beenden musste“. Das berichtet ein Marterl bei der Tischlerei Amon (Bräuhof 208 – am Wanderweg von Gößl zurück zum Ort Grundlsee) …
… und bestätigt das pfarrliche Totenbuch.
Ein Stück weiter des Weges oberhalb der Uferstraße, in Gaiswinkel bei der Hütte zu Bräuhof 30, erinnert wiederum eine Bildtafel.
Im Dezember 1903 half der nicht einmal 14 Jahre alte Johann Mayerl, Sohn eines k. und k. Forstarbeiters, beim winterlichen Holzziehen und verunglückte dabei mit dem Transportschlitten. Nach einwöchigem Leiden erlag er einer Bauchfellentzündung. Davon war auch in der Steirischen Alpenpost am 19. Dezember 1903 zu lesen.
Nur drei von mehreren Erinnerungen, die sich rund um den Grundlsee erwandern lassen – quasi als Alternativprogramm zum „Villen besichtigen“. Vieles davon wurde im Buch „Marterl, Bilder und Denkmäler in Grundlsee“ von H. Rastl (Grundlsee 2018) ausführlich beschrieben.
Aber es lässt sich auch mit Bert Brecht zusammenfassen:
FRAGEN EINES LESENDEN ARBEITERS
Wer baute das siebentorige Theben?
In den Büchern stehen die Namen von Königen.
Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?
Und das mehrmals zerstörte Babylon,
Wer baute es so viele Male auf? In welchen Häusern
Des goldstrahlenden Lima wohnten die Bauleute?
Wohin gingen an dem Abend, wo die chinesische Mauer fertig war,
Die Maurer? Das große Rom
Ist voll von Triumphbögen. Über wen
Triumphierten die Cäsaren? Hatte das vielbesungene Byzanz
Nur Paläste für seine Bewohner? Selbst in dem sagenhaften Atlantis
Brüllten doch in der Nacht, wo das Meer es verschlang,
Die Ersaufenden nach ihren Sklaven.
Der junge Alexander eroberte Indien.
Er allein?
Cäsar schlug die Gallier.
Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?
Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte
Untergegangen war. Weinte sonst niemand?
Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg. Wer
Siegte außer ihm?
Jede Seite ein Sieg.
Wer kochte den Siegesschmaus?
Alle zehn Jahre ein großer Mann.
Wer bezahlte die Spesen?
So viele Berichte,
So viele Fragen.