Zuletzt fragten wir uns bei einem Spaziergang in Steyr wieder einmal, wie lange die Pandemie denn noch dauern würde. Es seien schon zwei Jahre, fast zumindest. Der Weg führte uns, wie an vielen Tagen, an einer Kapelle vorbei – mitten im Siedlungsgebiet neben dem Haus Schlühslmayrstraße 1, dort wo es vom Quenghof hinauf in die Schlühslmayrsiedlung geht.
Diesmal las ich die Inschrift am Kreuz: „Nach der Überlieferung sollen hier im Jahr 1713 an der Pest Verstorbene beerdigt worden sein, zu deren Andenken diese Kapelle errichtet, von Ludwig und Barbara Raab Besitzer des Schlüsselmayrgutes im Jahr 1900, und von Hermann und Ingeborg Proyer im Jahre 1976 renoviert wurde. (sic)“
Die Pest in Steyr?
Anders als die jetzige Pandemie wurde sie nicht von einem Virus, sondern von Bakterien ausgelöst, jedoch auch von Tieren auf Menschen und zwischen diesen durch Tröpfcheninfektion übertragen. Über die Jahrhunderte wuchs sich die Pest immer wieder zu einer Epidemie aus, in Österreich zum letzten Mal 1713.
Für Steyr wird in den Geschichtsbüchern seit 1348 – über 365 Jahre – von insgesamt 18 Pestwellen berichtet, also alle 20 Jahre. Bei jenen in den Jahren 1541/42 und 1569 waren so viele Tote zu beklagen, dass neue Friedhöfe angelegt wurden – zuerst jener beim Bruderhaus (der sogenannte Weichselgarten) und dann der am Tabor, wo er sich bis heute befindet.
Aber auch an anderen Stellen wurden Opfer begraben. So wie – auch wenn dieser „Friedhof“ nirgends verzeichnet ist – anscheinend am Beginn der heutigen Schlühselmayrstraße im letzten Pestjahr 1713.
Aus diesem berichtet Pritz in seiner Steyrer Stadtgeschichte Maßnahmen, die frappant an heute erinnern: Verbot von Musik- und Tanzveranstaltungen, Sperrstunde um 10 Uhr abends, Fremde durften nur mit Genehmigung übernachten, höchste Reinlichkeit in den Gassen und Häusern, Sperre der Bäder, Spenden für Arme und Bettler sowie Quarantäne von 40 Tagen für Reisende in sogenannten Kontumazhäusern. „Kontumaz“ wurde als altösterreichisches Wort synonym für „Quarantäne“ benutzt.
Als Erbauer der Kapelle werden Barbara und Ludwig Raab im Jahr 1900 genannt. Diese besaßen das 1577 erstmals erwähnte Schlühselmayrgut (auch: Maisserort, Schlüsslmayr, Maiserort- oder Schlisselmayrgut) seit 1895, die Familie von Barbara schon länger. Dieser Hof wurde vor rund 50 Jahren abgebrochen, stattdessen entstand das Hochhaus, in dem sich die Pizzeria „Diele am Berg“ befindet.
Nur das mit dem Bau der Kapelle um 1900 dürfte nicht stimmen. Schon in der untenstehenden Karte von 1825 ist die Kapelle (hellblauer Punkt) ebenso ersichtlich wie das Schlühselmayrgut (hier: „Maisserort“). Auch in der Häuserchronik Garstens findet sich der Hinweis, dass die Kapelle schon vor 1826 bestand. Mit „1900“ wird wahrscheinlich Bezug auf eine Renovierung genommen worden sein.
Hermann und Ingeborg Proyer – aus der Kreuzinschrift – waren die Eigentümer der Baufirma Zwettler, die 1962 das Schlühselmayrgut von den Nachfahren der Familie Raab erwarb und dort die „Gartensiedlung Schlühselmayr“ errichtete. Hermann Proyer lebt heute in dieser Siedlung.
Übrigens: Das bekanntere Steyrer Pestdenkmal ist die Säule am Wieserfeldplatz, die auch nach der letzten Pest 1715 errichtet wurde. Die barocke Pestsäule wird von den Pestheiligen Sebastian und Rochus flankiert. Die Figurengruppe wurde 1848 von der Gleinkergasse hierher auf den Wieserfeldplatz versetzt.
Anmerkung: In seinem Sagenbuch behauptet Franz Harrer, dass die Pest in Steyr nicht – wie allgemein geschrieben – 1713 das letzte Mal, sondern 1786 noch einmal verheerend auftrat, dazu hier.
Hans payrleithner :
Gut recherchiert!!!die pestsäule am wieserfeldplatz wurde vor Jahren unter dem umtriebigen und leider schon verstorbenen Dr.kaiser restauriert